Offener Brief an Graf von Hatzfeldt und Herrn Dr. Hunke

Sehr geehrter Graf von Hatzfeldt,
sehr geehrter Herr Dr. Hunke,

ich habe in den letzten Tagen viel über unsere E-Mail-Korrespondenz und das Gespräch im Vorfeld der SVV am 2. Juni nachgedacht. Es war eine angenehme Korrespondenz, ein angenehmes Gespräch, fand ich. Wir haben vermutlich in vielen wichtigen Fragen eine ähnliche Sicht der Dinge. Wir sorgen uns um die Welt, den Klimawandel, finden, es muss etwas geschehen. Nicht morgen, heute. Wir lieben die Natur, den Wald, die Tiere. Wir finden, dass wir etwas tun müssen, um sie zu schützen. Nicht morgen, heute. Ja, es sah ganz so aus, als sähen wir diese Dinge sehr ähnlich. Wäre da nicht so ein komisches Gefühl der Verwirrung.

Was Sie mir bislang schilderten, klang für mich in etwa so:  

Sie, Herr Hunke, arbeiten für einen Waldbesitzer, Graf von Hatzfeldt, den Sie sich 2024 bewusst als Arbeitgeber ausgesucht haben, weil Sie seine Ideale, seine Ideen von nachhaltiger, ökologischer Forstwirtschaft teilen. Und nicht nur das, Sie teilen auch seine Überzeugung, dass der Klimawandel und damit der in vielen Teilen schon beobachtbare Untergang auch des deutschen Waldes, auch Ihres Waldes, nur durch ein rasches Ende der fossilen Brennstoff-Ära gestoppt und abgewendet werden kann.

Und jetzt, 2025, fügt sich eins zum anderen: Ihr gemeinsames Engagement fällt in eine Zeit, in der Sie sich selbst aktiv am Ausbau der erneuerbaren Energien beteiligen, und dadurch sogar auch noch über die notwendigen Mittel verfügen, um Ihren Wald für die anstehenden klimatischen Herausforderungen umzubauen und damit zukunftsfähig zu machen.

Und dieses Projekt wollen Sie nicht in Eigenregie und über die Köpfe tausender Menschen umsetzen. Sie haben immer wieder betont, dass Sie das Projekt im Einvernehmen mit den betroffenen Menschen, den Einwohnerinnen und Einwohnern der Stadt Teupitz (und Halbe) planen und umsetzen wollen.

Das klingt ganz nach einem verantwortungsvollen, idealistischen und sozial engagierten Waldbesitzer. Und Sie haben die Erwartung geäußert, dass die Menschen das hier auch so sehen. Ich habe Ihren Frust, ja fast schon Ihre Empörung wahrgenommen, als Sie bemerkten, dass hier niemand so recht mit Ihnen über dieses Projekt reden will.

Das könnte vielleicht daran liegen, dass sich Ihr Projekt und Ihre Haltung für uns hier in etwa so darstellt:

Sie möchten eine – inzwischen nicht mehr ganz klare – Anzahl (zwischen 55 und 74) Windräder in einem (Ihrem) Wald aufstellen. Sie, Herr Hunke, haben mir als studierter Forstwirt zugestimmt, als ich die Sorge geäußert habe, dass der Wald durch die geplante Baumaßnahme großen Schaden nimmt (u. a. weiter austrocknet und seine Temperatur regulierende Fähigkeit verliert, wie Ihnen offenbar bekannte wissenschaftliche Studien unter anderem der Hochschule für erneuerbare Energien Eberswalde (HEE) zeigen). Da war ich schon etwas verwirrt. Wie wollen Sie das Projekt dann legitimieren?

Ist das „Opfer“, diesen Wald und die umgebende Landschaft zu zerstören legitim, weil der Erlös aus dieser Zerstörung der Natur wieder der Natur zugutekommt?

Weil Sie a) damit den Wald, den Sie hier im Osten zuvor kaputt gemacht haben, wieder ökologisch aufforsten wollen, oder weil Sie b) damit die anderen 12.000 Hektar Wald, die Sie im Westen besitzen, umrüsten wollen?

Zu a) habe ich z. B. von den Experten des NABU erfahren, dass auch bei zunehmender Dürre der Wald hier immer ein Wald sein wird. Er baut sich um, er baut sich neu, eigentlich ein tröstlicher Gedanke. Für Sie vielleicht weniger, weil er sich dann nicht mehr forstwirtschaftlich „nutzen“ lässt? Und zu b): Es klingt nicht plausibel, hier einen Wald zu zerstören, um in einem anderen Teil des Landes den Wald so umbauen zu können, dass er dem Klimawandel Stand hält und weiter zu Geld gemacht werden kann.

In einer meiner ersten E-Mails an Sie habe ich Ihnen geschrieben, dass einige Leute hier finden, dass Sie ein „Wessi sind, dem es nur ums Geld geht und dem die Natur egal ist“. Das haben Sie empört weit von sich gewiesen.

So werden Sie hier aber wahrgenommen: Als ein Wessi, der bald nach der Wende ein riesiges Stück Wald im Osten zu einem sehr günstigen Preis erwirbt, um daraus Kapital zu schlagen.

Damals haben Sie von Ihrer Vision geschwärmt: dem Umbau zum ökologischen Wald. Ein Nachbar hat mir neulich erzählt, er habe Sie damals vor 20 Jahren im Wald getroffen und Sie hätten ihm mit leuchtenden Augen erzählt, in was für ein „Schmuckstückchen“ Sie diesen Wald verwandeln wollen.

Vermutlich haben Sie damals nicht einmal im Traum daran gedacht, wie viel Kapital Sie aus diesem Wald im Osten wirklich einmal schlagen könnten. Etwa 1000 Mal mehr werden Sie verdienen, wenn Sie auf diese Fläche Windräder stellen. Dafür kann man seine Visionen, seine Prinzipien schon einmal, sagen wir, anpassen, das kann ich schon verstehen.

Was ich allerdings nicht verstehen kann, ist, dass Sie wirklich erwarten, dass wir Ihnen das Märchen von Gutmenschen, vom Klimaschützer, vom verantwortungsvollen Waldgroßgrundbesitzer abkaufen.

Sie erwarten Zustimmung, vielleicht sogar Applaus dafür, dass Sie für Ihre Vision hier eine ganze Region „opfern“ wollen. Dass aus einem Naherholungsgebiet mittel- und langfristig durch den riesigen Windpark und die erwartbare nachfolgende Industrieansiedlung ein riesiger Industriepark wird, der durch den zusätzlichen immensen Wasser-verbrauch weitere Umweltschäden mit sich bringt.

Sie erwarten Zustimmung dafür, dass Sie das einfach über unsere Köpfe hinweg entscheiden. Sie nehmen sich das Recht, nur, weil Sie viel Geld und viel Besitz haben, über das Leben und die Zukunft der Menschen einer ganzen Stadt, einer ganzen Region zu bestimmen.

Sie sind dann auch noch entrüstet, dass die Menschen hier nicht mit Ihnen über das „Wie“, sondern nur über das „Ob“ reden wollen.

Als „Konsequenz“ aus der fehlenden Gesprächsbereitschaft kündigen Sie an, Ihren Antrag nun noch bis zum 30.06.2025 zu stellen, um das Projekt im sogenannten „Durchwinkverfahren“ ohne Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen umsetzen zu können.

Glauben Sie, das macht Sie glaubwürdig?

Würden Sie mit guten Absichten kommen, würden Sie abwarten, was die geplante Befragung der betroffenen Menschen ergibt. Sie würden das Ergebnis dieser demokratischen Abstimmung respektieren. Sie würden sich nicht das Recht herausnehmen, Ihren Profit über das Wohl von Umwelt und Natur, über das Wohl Tausender Menschen in dieser Region zu stellen.

Würden Sie mit guten Absichten kommen, würden Sie die klare Stellungnahme der regionalen Planungsbehörde respektieren, dass dieser Naturpark und dieses Landschaftsschutzgebiet, dass dieser Wald keine Eignungsfläche für Windindustrieanlagen darstellt.

Würden Sie mit guten Absichten kommen, würden Sie Ihren Antrag nicht zum 30.06.2025 stellen.

Ich kann an Ihrer Absicht nichts Ehrenhaftes, nichts „Adeliges“, nichts Umwelt-, Menschen- und Tierfreundliches erkennen.

Und ich vermute, wenn Sie ganz ehrlich wären, könnten Sie es selbst nicht.

Verfasst von Dr. Judith Berger